Tod allen Stemmbrettern

Auch dieses Jahr ging es Freitag morgens nach dem Frühstück wieder nach Neuwied bzw. nach Sankt Goarshausen. Nachdem wir in Neuwied das Boot für die 45 km abgeladen hatten, ging es weiter zum 100 km Start.

Dort teilten wir uns schnell auf, um das Boot aufzuriggern, Essen zu kaufen und die Obleutebesprechung mitzubekommen. Mit der Nachricht: „Wir brauchen WD40 und eine Zange“ kamen sofort die Befürchtungen um die Stemmbretter zurück, welche sich auch bewahrheiten sollten – letztes Jahr fehlte der Mannschaft ein komplettes Stemmbrett. Dieses Jahr waren die Stemmbretter während der Fahrt komplett auseinandergefallen und mit komplett meinen wir komplett in alle Einzelteile. Mit dem Kommentar: „immerhin sind es diesmal vier Bretter“, ging es dann im Dunkeln ans Puzzeln, um die richtigen Teile zum richtigen Stemmbrett zu finden und diese entsprechend zu befestigen. Während des Puzzelns traf schließlich auch der Rest der Mannschaft wieder ein, die sich sogleich ans Abkleben der Boote und das Befestigen der Essensboxen am Steuersitz machten. Mit dieser ungeplanten Verspätung ging es endlich auf den Berg in eine offene Wanderhütte ohne Tür. Dort angekommen machten wir um 22 Uhr unser Dosenfutter warm und genossen die absolut wunderschöne Aussicht, bevor es zügig ins Bett ging, denn das Zuwasserlassen des Bootes war früh am Morgen geplant.

Die Leute in Neuwied hatten mehr Glück: Eine nette Damenmannschaft half beim Abkleben, nach dem Aufriggern wurde für das Frühstück eingekauft, eine Pizza gegessen und die Rollsitze und Stemmbretter aus Vorsicht mit in die Pension genommen. Als die Mannschaft um 22:30 Uhr endlich vollständig war, gab es noch ein Glas Sekt auf unser Geburtstagskind Jasmina, bevor es auch dort „Gute Nacht!“ hieß.

Die ersten 24 Ruderkilometer waren für die 45-km-Crew – fast alles Rhein-Neulinge – ein Traumstart: Glattes Wasser, herrlicher Sonnenschein, Burgen und Steillagen am Ufer. Die einzige leicht kritische Situation, nachdem ein Boot eine Fähre behindert hatte, die dann stoppte und den geschmeidigen Vorbeisteuer-Kurs vermasselte, lösten sie souverän. Wie geplant wechselten sie bei Remagen die Steuerperson.

Mit dem Ziel möglichst zeitnah gemeinsam einzutreffen, machte auch die 100 km Mannschaft weiter Strecke. Beide Mannschaften behielten trotz der teilweise hohen Wellen und des regen Schiffsverkehrs auf den letzten 20 Kilometern die Nerven. Doch während die Energiespeicher der 100 km Leute immer leerer wurden und selbst solche Ereignisse wie das letzte Mal Kreuzen oder das letzte Wechseln niemanden mehr zum Jubeln brachte, sondern nur noch einen Grunzlaut der Zustimmung oder eine kurze Pöbelei brachte, wurde die Stimmung im 45 km Boot mit jedem geschafften Kilometer und einer motivierenden Playlist immer euphorischer. Ab dem Drachenfels, entlang von Königswinter, vor der Kulisse des Petersbergs und unter der ersten Brücke nach Neuwied durch, setzten sie Druck und Schlagzahl noch einmal hoch.

Auch die 100 km Crew ging auf dem letzten Kilometer mit der Schlagzahl nochmal ein, zwei Schläge hoch und kreuzte mit einem erleichterten Stöhnen die Ziellinie, wo es zum direkten Stoppen und Rudern gegen den Strom kam, um an den Steg zu kommen. Beim erleichterten Rauskrabbeln aus der „Aller“ standen glücklicherweise Helfer*innen zur Verfügung, die Menschen und Boote in Sicherheit brachten.

Tatsächlich war auch die 45-km-Mannschaft gerade erst angekommen, die hatten nämlich wegen dichten Gegenverkehrs nicht direkt nach der Ziellinie wenden können, mussten ca. 400 Meter weiter rudern und sich den Weg zurück hart errudern, gefühlt brachte jeder Schlag die „Jade“ nur 10 Zentimeter gegen den Strom zum Steg.

Zurück nach St. Goarshausen: Nach einem viel zu frühen Aufstehen in der Wanderhütte, mit kalter Nase, aber sehr schönem Sonnenaufgang begaben wir uns zum Boot, wo die letzten Wasserflaschen und Müsliriegel eingepackt wurden. Die Karte und mögliche schwierige Stellen und Brücken wurden noch einmal durchgesprochen. Mit einer frühen Zuwassergeh-Zeit, aber einer späten Startzeit machten wir es uns auf dem Wasser gemütlich.

Diese konzentrierte Entspannung wurde nach zwei Stunden durch die Megafon-Durchsage der Startreihenfolge und einem kurzen Hinweis auf die Wasserschutzpolizei aufgeschreckt. Nach dem letzten Zurechtruckeln, Durchatmen und Festmachen des Steuers ging es auf die 100 km. Der Rhein zeigte sich von seiner schönsten Seite: ein leicht erhöhter Pegelstand und 7km/h Strömung bedeuteten für uns ein schnelles Vorankommen. Zudem meinte das Wetter es gut mit uns. Sonne, wenig Wind und genug Wärme, um auch mal die ein oder andere Welle auszuhalten und diese Tour zu genießen. Mit einem Durchtauschen der Steuerleute alle 45 min konnte jede*r Mal eine Pause machen, wobei es nur 3 Schlagleute gab.

Genau bei der Hälfte, also 5 km vor Neuwied, motivierte uns die Nachricht von unserer 45 km Mannschaft, dass sie jetzt endlich auch starten. Die Neuwieder Obleutebesprechung wurde für 9 Uhr angesetzt, dann aber kurzfristig auf 10:30 Uhr verschoben. Also 90 Warteminuten, um die nervöse Blase ein letztes Mal zur Toilette zu tragen, erfahrene Regatta-Teilnehmer kennen zu lernen und sich letzte Tipps zur Tour zu holen. Um 11:20 Uhr durfte endlich auch die „Jade“ über den Deich getragen und nach kurzer Wartezeit ins Wasser gelassen werden.