Die schönen Kurven der Memel

Über den mittleren Abschnitt der Memel ist wenig bekannt. Jetzt hat eine Gruppe aus Hamburg unter der fachmännschischen Leitung von Hans-Heinrich Busse die beeindruckende Landschaft erkundet. Mit einem Gig-Doppelzweier und einer Ruderbarke wurden die kurvenreichen Etappen der Memel vom Städtchen Merkine ab bis zum Yachthafen am Kaunasser Meer – dem einzigen Stausee – zurückgelegt.
Bericht: Hans-Heinrich Busse // Fotos: Margit Lill

Im Gegensatz zum Unterlauf der Memel, dessen Abschnitt vom heutigen Smalininkai bis Klaipeda einmal zum Deutschen Reich gehört hatte, steht über die mittlere Memel wenig Literatur zur Verfügung. Selbst in dem die Kulturgeschichte des Flusses behandelnden Buch von Uwe Rada ist wenig zu finden über die Flussstrecke von Druskininkai bis Kaunas. Der Fernsehfilm eines bayrischen Regisseurs über die Memel beginnt auch erst mit dem Städtchen Birstonas, dem im Baltikum bekannten Kurort. Interessant ist dieser Teil der Memel eher aus geografischer Perspektive, weil der Strom sich durch das Hügelland des Baltischen Landrückens schlängelt. Dabei entstehen jede Menge Windungen und Schleifen, durchmisst der Fluss für etwa 100 km Landweg rund 200 km Wasserweg.

Im Mai fand sich eine Wanderrudergruppe aus verschiedenen Hamburger Ruderclubs, aber auch aus Erlangen, Hannoversch Münden und aus Wien in Birstonas ein. Von der RR Rot-Gelb hatten sich Ingrid Stro  ttner und Margit Lill angemeldet, Gerhard Boehm und der Autor als Fahrtenleiter nahmen von der RG Hansa teil. In einem Gig-Doppelzweier und in einer Ruderbarke sollten die kurvenreichen Etappen der Memel vom Städtchen Merkine ab bis zum Yachthafen am Kaunasser Meer – dem einzigen Stausee – zurückgelegt werden. Merkine hat sich schon früher als Einsatzstelle für die Ruderbarke empfohlen, weil das Ufer neben der Brücke das Einsetzen des Trailers erlaubt, ohne dass wie in Druskininkai dieser am Ufer versackt. Solche Slipanlagen wie wir sie aus den bundesdeutschen Ruderrevieren kennen, gibt es am naturbelassenen Fluss Memel nicht. Und das Aufslippen geht auch erst in Kaunas beim Yachthafen.

Sonne satt

Bei den Etappenzielen Nemunaitis, Nemajunai, Birstonas und Kruonis wurde die Barke festgepflockt und der Doppelzweier dazu am Ufer festgekettet. Alles bewegliche Material brachten die Mannschaften im Schuppen oder Garten bei freundlichen Nachbarn oder im ehemaligen Ruderzentrum unter. Die Etappen mit immerhin je 45 km an vier Tagen waren unproblematisch zu durchrudern, weil eine über die Woche konstante Hochdruckzone nicht nur den Regen und Winde verhinderte, sondern uns Sonne satt bescherte. Die gute Strömung erwies sich als wichtige Unterstützung während der Wanderfahrt.

Farbenpracht der Blumen

Mittagsrasten fanden an verschiedenen Plätzen statt, der Landdienst war für ein reichliches Büffet und für die Transfers zuständig. Das Auge konnte sich an der frühlingshaften Farbenpracht in den Uferregionen erfreuen. Die mit vielen Butterblumen übersäten Wiesen waren grasgrün und gelb gesprenkelt, die Obstbäume blühten, der Raps in knalligem Gelb überraschte uns am beackerten Hang vor dem Pumpspeicherwerk Kruonis.

Als Stammquartier diente ein Gästehaus in Birstonas, in dem die Küche uns am Abend gut versorgte. Der Kurort an der Memel ist auch ein Zentrum des in Litauen populären Heißluftballonfahrens. Unser Frühaufsteher aus Wien konnte bereits in den ersten hellen Stunden des Tages Ballonfahrer aufsteigen sehen. Für den Sommer waren auf Plakaten angekündigt die Weltmeisterschaften für mutige Ballonfahrerinnen.

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Alle zusammen: Das obligatorische Familienfoto beim Pegelhaus Nemajunai.

 

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Ordentlich versorgt: Frische Blumen als Deko und schmackhaftes Essen gab es zur Mittagspause.

 

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Die richtige Stelle suchen: Die Barke muss vorsichtig zu Wasser gelassen werden.

 

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Perfekt vorbereitet: Hier wird die Barke aufgeriggert und geprüft.

 

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Impressionen vom Fluß: Idyllisch schlängelt sich die Memel durch die grüne Landschaft.

 

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Fast wie ein Breughel-Bild: Nach dem Essen wird erst einmal ein Nickerchen gemacht.

Vom Riemenrudern zum Skullen zu wechseln fand Beifall bei der dreizehnköpfigen Wanderfahrtencrew.

Das Doppelzweierteam musste aber manchmal gebremst werden, weil es ja die Etappenziele nicht kennen konnte und eine Barke nun mal kein Rennboot ist. Bei der bis auf das Stauwehr bei Kaunas unregulierten Memel fanden wir während der fünftägigen Fahrt einen noch guten Wasserstand vor, der einige Sandbänke und sandige Ufer zwar überspülte, aber trotzdem das Anlegen bei entsprechenden Pausen ermöglichte. Die Steuerleute mussten dann Mut fassen und mit dem Bug der Barke auf das Ufer drauffahren.

Auf nach Vilnius

Am zweiten Tag konnten wir vor der Stadt Alytus Fischadler in der Luft erkennen. Und einer schien nicht nur uns zu beobachten, sondern auch noch die Fische, denn kaum hundert Meter hinter der Barke sauste er ans Wasser heran und entkam mit einer Fischmahlzeit in seinen Klauen in die Lüfte. Zwei Tage später hörten wir unterwegs einen Hubschrauber heranknattern. Das Fluggerät des litauischen Militärs schien heute die Flusswindungen abzufliegen und drehte unseretwegen sogar eine Ehrenrunde. Der schnelle Fotograf Hajo konnte darum den Hubschrauber auch auf die Platte bannen. Am dritten Tag reiste die Gruppe nach Vilnius und nahm die Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt in Augenschein. Gleich unterhalb des Bahnhofs erspähten wir die Malerei an der Mauer eines Grillrestaurants wo sich Putin und Trump küssen. Ein Foto davon war durch die Weltpresse gegangen.

Am fünften Tag gab es auch beim Überqueren des Kaunasser Meeres keine Problem, die Barke und der Zweier erreichten das geplante Ziel und konnte verladen und gereinigt werden. Mit einer kleinen Zeremonie wurde das Ende der Memelbefahrung gewürdigt. Nach dem Essen schloss sich ein Rundgang durch die Altstadt an. Bereits vor der Burg neben dem Nebenfluss Neris fanden wir Absperrungen und dahinter eine große Schaubühne. Durch die Vilniaus gatve zog ein halbes Dutzend uniformierter Spielmannszüge zum Marktplatz. Es fanden die modernen Hansetage mit zahlreichen Musikaufführungen und buntem Spektakel statt.

Am sechsten Tag reiste die Wanderfahrergruppe nach Trakai, in die mittelalterliche Hauptstadt mit Inselburg.

Das Rudermuseum im Gästehaus „Academia Remigum“ fand viel Interesse mit all seinen über Jahre zusammengetragenen Raritäten, Büchern, Drucken und Schaustücken aus der internationalen Rudergeschichte.

Eine Rudertour in zwei Vierern und einem Dreier führte über die Regattastrecke am Galves See und an die mächtige Burg heran und weiter zu verschiedenen Seen dieser Seenkette. Nachdem die örtliche Spezialität Kibinai im Ruderzentrum verkostet worden war, marschierten wir zur Inselburg. Diese war wie immer voller Touristen, aber wir schafften den Besichtigungsweg und hatten danach Zeit für Kaffee und Kuchen. Während wir auf dem Wasser fast alleine unsere Bahn zogen war in den Städten Trakai, Kaunas und Vilnius richtig etwas los.

 

 

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