Wenn die Ketten glühen

Das war‘s gewesen, der Alster Ergo Cup 2020. Wieder einmal hat Björn Schulze-Gülich ein fulminantes Finale mit einem Marathon-Wettbewerb auf die Beine gestellt, an dem 23 Einzelstarter, zwei Zweierstaffeln und drei Viererstaffeln teilnahmen. Dieses Jahr hat die HANSA ordentlich abgeräumt.


Es ist irgendwie eine Hassliebe. Kein Ruderer würde freiwillig auf einen Ergometer steigen, wenn er doch im Boot auf dem Wasser davongleiten könnte. Doch im Winter kann irgendwann die härteste Mannschaft nicht raus, weil es stürmt, schneit oder hagelt. Um fit zu bleiben, gibt es den Ergometer. Genauer gesagt: die Maschinen der US-Firma Concept2. Alle Rudervereine der Welt und inzwischen viele Fitnessclubs setzen weltweit die stabilen und robusten Rudermaschinen ein, die mit ihrem typischen runden Schwungrad fast schon ein Markenzeichen für sich geworden sind.

Kein Pardon

Das harmlos aussehende Gerät ist aber auch eine echte High-Tech-Maschine mit eingebautem Computer. Sie registriert winzige Abweichungen in der Bewegung, jedes Nachlassen in der Zugkraft, jeden Beinstoß und jede Sekunde Schwäche einer 500-Meter-Durchschnittszeit, die das Gerät an einem großen Monitor ohne Erbarmen anzeigt. Ruderer müssen sich erst an diese Form der Bedingungslosigkeit gewöhnen – die Maschine kennt keinen Pardon.

Auf der anderen Seite dürfte der Ergo die beste Kraft-Ausdauer-Maschine der Neuzeit sein. Wer hier regelmäßig trainiert, bleibt fit und kann entspannt der kommenden Saison entgegen sehen. Einziges Problem: Es macht wenig Spaß, alleine zu fahren. Daher hatte Björn die Idee, einen Wettbewerb mit Gleichgesinnten auszutragen, um die Winterpause kuschelig in der Gruppe zu verbringen.

Quäl dich du Sau

Halbes Leid ist geteiltes Leid, war wohl sein Gedanke. Wenn sich schon Jan Ullrich auf dem Rennrad mit dem berühmten Satz „quäl dich, du Sau“ zum Sieg fahren konnte, sollte das mit Ruderern mindesten genauso gut klappen. Das war vor über zehn Jahren die Geburtsstunde des Alster Ergo Cups, ein ausgeklügelter Wettbewerb über die Wintermonate hinweg auf unterschiedlichen Distanzen, aber immer in der Gruppe. Das macht Spaß, dachte sich Björn.

Inzwischen ist der AEC, wie er in Hamburg kurz genannt wird, eine echte Institution geworden, nicht zuletzt auch durch den Einsatz von Björn und mit Unterstützung von Ergo-Fans aus vielen Vereinen rund um die Alster. Auf dem Wasser im Sommer erkennen sich die AEC-Teilnehmer an den bisweilen auffällig bunten T-Shirts, die Björn den Teilnehmern jedes Jahr in unterschiedlichen Farben aushändigt (Pink ist die Farbe 2019/20).

Der Abschluss des AEC bildet ein Marathon-Wettbewerb, der immer mehr Teilnehmer lockt. Das ist deswegen verwunderlich, weil man 42.000 Meter auf dem Ergo nur mit viel Vorbereitung und Training absolvieren kann. Und die Besten beim Marathon erzielen Durchschnittszeiten, da kann manch ein Ruderer auf 1.000 Meter nicht mithalten.

Benjamin Reuter zum Beispiel: Der junge Athlet hält in seiner Altersklasse bereits mehrere Ergo-Weltrekorde. Beim AEC-Marathon sauste er nach 2:28:55,4 Stunden durch das virtuelle Ziel und legte eine Splitzeit auf 500 Meter von 1:45,9 hin – auf die Gesamtlänge berechnet wohlbemerkt. Kenner wissen, was das heißt, Laien dürfen staunen. Das bedeutet freilich nicht, dass er auch auf dem Wasser so schnell ist. Das ist eine ganz andere Welt.

Die Marathonis

Immerhin waren es in diesem Jahr 23 Einzelstarter, die sich dem Marathon hingeben wollten. Björn erlaubt auch eine Staffelbildung, daher traten auch zwei Zweiersatffeln und drei Viererstaffeln an. Ohnehin ist die Teilnahme am AEC in Hamburg groß: 2019 haben sich 88 Teilnehmer aus 20 Vereinen angemeldet. Über die Wochen hinweg wurden 411 Einzelrennen gefahren. In diesem Jahr kamen die Kilometerkönige aus der RG HANSA. Exakt 62.975 Meter schaffte Ulrike Rosenberg, Sönke Jensen 64.212 Meter.

Das schafft man allerdings nur, wenn alle neun Disziplinen auch gefahren werden. Häufig sind die Teilnehmer anfangs voller Elan, mittendrin – meist zur Weihnachtszeit – erlahmt die anfängliche Begeisterung fürs Ergofahren. Zum Schluss sind es nur die Hartgesottenen, die alle Termine und Distanzen schaffen und vielleicht sogar den Marathon mitmachen.

Ergofahren ist übrigens keine Frage des Alters. Björns System kompensiert Zeit und Alter, die ausgerechneten Punkte sind damit ausgewogener als die reine Zeitangabe. So konnte Bodo Engelke mit seinen 79 Jahren sogar den 19. Platz im Gesamtranking erreichen, weit vor den jüngeren Konkurrenten.

HANSA Vereinssieger

Bei der Vereinsauswertung kam erneut die HANSA zum Zug. Die Punkte der 14 HANSA-Teilnehmer ergaben den ersten Platz vor dem Ruderclub Dresdenia. Ein Beweis dafür, dass es dann gut klappt, wenn auch alle mitmachen.

Ohne Björns Leidenschaft für den Rudersport wäre der Alster Ergo Cup undenkbar. Und ohne die kleine, aber aktive AEC-Fangruppe auch nicht. So gesehen, bedanken wir uns herzlich bei Björn, für die einzigartige Gelegenheit, uns im Winter fit zu halten – und für T-Shirts, die jeder wirklich mit Stolz trägt.

Die Ergebnisse:

AEC_2020

Glückliche Sieger: Gruppenbild der erfolgreichen Marathon-Teilnehmer.

Locker weggezogen: Ulrike gewann den Kilometerpreis und die Gesamtwertung.

AEC_2020

Stellvertretend für alle HANSA-Teilnehmer nahmen die Marathon-Absolventen den Vereinspreis entgegen.

AEC_2020

Seriensieger Bejamin Reuter holte wieder den Pokal mit einer phänomenalen Zeit.

AEC_2020

Dieser Man ist 79 Jahre alt, und hat den 19.Platz geschafft.

AEC_2020

Concept2 unterstützt den AEC jedes Jahr mit einer ausreichenden Zahl von Ruder-Ergometern. Hier stehen sie noch sauber in ihren Kisten verpackt.

AEC_2020

Ordentlich aufgereiht: Alles ist vorbereitet für die Marathonis 2020.

AEC_2020

Und los gehts! Die erste 1.000 Meter vergehen blitzschnell. Bei Kilometer 30 wird es schwer.

1 Reply to "Wenn die Ketten glühen"

  • Frank Schmidt
    25. Februar 2020 (16:34)
    Reply

    Herzlichen Glückwunsch unseren Teilnehmern zum 1. Platz in der Vereinswertung und ganz besonders Ulrike zum Gesamtsieg in der Einzelwertung!


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