Rudermarathon Elfsteden 2018
In den Wintermonaten hatte sich eine illustre Mannschaft aus Ruderern und Ruderinnen mehrerer norddeutscher Rudervereine gefunden, die an der diesjährigen Elfstedentocht teilnehmen wollten, einer 210 Kilometer langen Ruderstrecke quer durch das holländische Friesland.
Text: Wojtek Siejkowski und Volker Zaehle | Fotos: Cristina Kamphues
Efstedentocht? Das ist doch das legendäre Schlittschuhrennen über die vereisten Flüsse und Kanäle, welches seit über 100 Jahren immer dann in und um Leuuwarden stattfindet, wenn das Eis dick genug ist? Ja, genau, aber seit 1985 findet auf der fast identischen Strecke am Wochenende nach Christi Himmelfahrt auch der Elfstedenmarathon statt, bei der am Freitagabend um 20 Uhr in Gig-Doppelzweiern mit Steuermann gestartet wird, um im Laufe des Samstagnachmittags wieder beim Ruderverein Wetterwille das Ziel zu erreichen.
Welche Herausforderung! Und so waren dann auch unsere Erwartungen gesteckt: gemeinsam Spass zu haben, eine gute Form zu zeigen, ohne Schlaf auszukommen und dabei immer Ruder- und Steuerbereit zu sein! Knapp 100 Mannschaften waren gemeldet, die sich auf die Kategorien „Offen“, „Mixed“, „Damen“, „Bullen 3“, Bullen 6“ und „Tour“ verteilten. Da wir unsere eigenen Fähigkeiten mangels gemeinsamen Trainings schlecht einschätzen konnten, einigten wir uns, in die „Tour“-Kategorie mitzufahren, in der nach jeweils zehn Kilometer die Mannschaft komplett durchwechselt. So konnten wir zwar ambitioniert mitfahren, mussten uns aber nicht dem Druck aussetzen, höchstens drei Stunden nach dem ersten Boot ins Ziel zu gelangen. Nach einigem Hin und Her fand sich unser Name passend zum Team: „Labskaus“ – ein norddeutsches, kunterbuntes, energiegeladenes und leckeres Sammelsurium.
Rechtzeitig wurden die Unterkünfte organisiert, ein Teil quartierte sich im Hotel ein, der andere auf einem Zeltplatz in der Nähe des Rudervereins. Das Boot, der C-Liner „Staacki“, wurde uns dankenswerter Weise von der Fari gestellt und von der Alania nach Leuuwarden und zurück gebracht. Die technische Ausstattung, also Mannschaftsbus, Navigations-Software, Beleuchtung, Pumpen, Abdeckungen, Skulls, GPS- Tracking und weiteres kamen von Edgar und Sven. Die T-Shirts und das Begleitfahrzeug von Iris und Karsten, die Schwimmwesten brachte Susanne von der HANSA mit und die Abrechnung machte Volker.
Vor Ort wurden noch die beiden Haken besorgt, mittels derer die Boote beim Wechsel vom Landdienst ans Ufer gezogen werden sollten. Und Agathe, unser Gans-Maskottchen, wurde ebenfalls mit Beleuchtung ausgestattet, um bei Dunkelheit die angekündigten Wechsel vom Steuermannsplatz aus besser und schneller erkennen zu können.
Und dann ging es schon los! Gestärkt vom leckeren und ausgiebigen Essen am Vorabend beim Ausrichterverein RV Wetterwille starteten alle Mannschaften um 20 Uhr unter lautem Beifall des Publikums im Abstand von 15 Sekunden. Das hatte echten Volksfestcharakter!
Die Wetterverhältnisse waren traumhaft: wolkenloser Himmel, fast windstill, aber trotzdem angenehm milde. Die ersten Etappen nach und von Dokkum wurden mit überdurchschnittlich hoher Schlagzahl zurückgelegt, um sich gleich von Anfang an vom Hauptfeld abzusetzen. Kilometer für Kilometer wurde der anspruchsvolle Parcours absolviert: Enge, sich schlängelnde Kanäle, tiefer gelegte Brücken, unübersichtliche Seen mussten wir überqueren. Wir hatten fünf Teams mit je zwei Personen gebildet (plus Cornelia, die frühmorgens hinzustieß), die sich bei insgesamt 24 Wechsel austauschten und danach für zwei Etappen das Steuern oder den Landdienst übernahmen. Rudern, wechsel, steuern – so kamen wir durch die tiefschwarze Nacht. Um im Dunkeln von heranrauschenden Booten erkannt zu werden, hatten wir Agathe, unsere Plastik-Gans, beleuchtet und gut sichtbar auf eine Teleskopstange platziert.
Die Morgendämmerung kam und die Konzentration ließ erfahrungsgemäß nach, doch dank der hervorragenden Organisation der Veranstalter gab es zwischendurch die Möglichkeit, sich in Etappenpausen mit Kaffee und Suppen in den Verpflegungsbussen zu wärmen und zu stärken.
Neben diesen Wechselpunkten gab es auch noch dreizehn weitere Stationen, an denen mit teilweise waghalsigen Aktionen die Stempelkarte den offiziellen Kontrolleuren vorgelegt werden musste – eine weitere organisatorische Herausforderung!
Und weiter ging´s! Jede Mannschaft konnte die Etappenlängen frei gestalten. Wir wählten die mittel-lange Variante mit jeweils sechs bis zehn Kilometer langen Distanzen. Konzentriert ruderten wir aufs Ziel zu, wobei sich im Laufe der Zeit eine kleine, hartnäckige Zahl von gleichschnellen Booten herausbildete: die Nr. 40 (Alania Hamburg – das fixe Sechserboot), die Nr. 14 (Oldenburger RV – eine schnelle Mixed-Mannschaft), die Nr. 20 (AGSR Gyas/URV Viking – das schnellste Damenteam) sowie die Nr. 6 (Aengwirden, das starke Boot der Offenen Kategorie).
Bis auf die Nr. 6 konnten wir aber letztendlich alle gegnerischen Mannschaften in erbitterten Gefechten und in freundschaftlicher Rivalität niederringen und auf Abstand halten.
Über den GPS-Tracker konnten wir, aber auch Fans in aller Welt, am Computer verfolgen, wann und wo welche Wechsel vorgenommen wurden. Trotzdem soll es viele Mannschaften gegeben haben, die den Stempelposten in Ijlst verpasst haben. Die morgendliche Sonne wärmte uns wieder und wir hatten Gelegenheit, die malerisch schöne Landschaft, die traditionellen Mühlen, die pittoresk wirkenden Städte und Dörfer am Ufer auf uns wirken zu lassen. Wunderbar!
Ab Harlingen, also ab dem 20. von insgesamt 25 Abschnitten, begannen wir das Finish. Die Teams fuhren ihre letzten Etappen, die Motiva- tion stieg wieder, die letzten Energiequellen wurden freigesetzt. Bis zuletzt wurde um die Ideallinie bei der Vorfahrt vor den Brückendurchfahrten und vor den Wechselpunkten gekämpft. Iris und Sven (Steuermann Edgar) oblag die Schlussfahrt: Unter dem tosenden Applaus des zahlreich versammelten Publikums und dem Rest der Mannschaft erreichten sie nach insgesamt 20 Stunden, 14 Minuten und 17 Sekunden das Ziel!
Fazit: Elfsteden ist ein Rudererlebnis der besonderen Art! Nicht nur die Nachtfahrt, der ganze Marathon stellt eine große, mentale Herausforderung an alle Akteure dar. Im Boot gilt es, sich zu synchronisieren und zu harmonisieren, ein nicht einfacher psychodynamischer Prozess über die vielen Stunden! Obwohl, oder vielleicht auch gerade weil wir aus sieben verschiedenen Vereinen kamen und wir uns untereinander vorher kaum kannten, hat jede/r von uns verschiedene Aufgaben übernommen. Diese Bereitschaft zeugt von Teamgeist, ohne die ein solch außergewöhnliches Ereignis auch nicht zu wuppen wäre! Und ein Riesen-Lob dem RV Wetterwille und seinen zahlreichen Helfern, die immer und überall freundlich und kompetent diese tolle Veranstaltung organisiert haben!







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