Das war das Abrudern 2020
Im Corona-Jahr ist nichts mehr so wie immer. Deswegen ist auch das Abrudern der Hamburger Vereine ein Besonderheit in Zeiten der Pandemie.
Text und Fotos: Jean-Marc Göttert
Leise, aber dennoch vernehmlich, schwebt die Melodie übers Wasser: „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins, ob du’n Mädel hast oder hast kein’s“, klingt es entfernt vom Steg des RC Protesia. Ein paar Fußgänger auf der Brücke an der Barmbekerstraße schauen erstaunt hinüber zum kleinen Ruderverein. Dort sitzt ein Musiker mit einer Gitarre und spielt munter ein Lied nach dem anderen. Alle paar Minuten legt ein Boot längs an und wird mit einem fröhlichen „hallo und willkommen“ begrüßt.
Es ist Abrudern in Hamburg, und die Boote der HANSA legen im Fünfminuten-Takt einen kurzen Boxenstopp ein, um den obligatorischen Schnapstrunk zu genießen. In diesem Corona-Jahr werden die Gläser mit ordentlicher Distanz am Ende eines Skulls gereicht. „Amüsierst du dich, denn das findet sich, auf der Reeperbahn nachts um halb eins!“, klingt es fröhlich, und alle im Boot singen mit. Die Stimmung ist gelöst, und schon schiebt sich die Sonne zwischen den Wolken hervor und strahlt auf die fröhliche Ruderschar, die am Kanal heranzieht.
Das Abrudern zählt in Hamburg zu den beliebten Traditionen, die meist am letzten Oktober-Wochenende, häufig zeitgleich mit der Zeitumstellung, das Ende der Rudersaison einläutet. Dann trifft sich die Hamburger Ruderfamilie in geselliger Runde und genießt die Gastfreundschaft des Ausrichtervereins mit Kaffee und Kuchen.
Aber nichts ist normal in diesem Jahr. Und so ist auch die Organisation des Abruderns eine prekäre Sache, denn seit Tagen steigen in Hamburg wieder die Infektionszahlen. Als Ausrichter musste die RC Protesia viele Absagen hinnehmen, den meisten Vereinen war das alles schlicht nicht geheuer. Hier einen großen Dank an Daniel und sein Team bei der Protesia.
Auch in der HANSA gab es lange Diskussionen, doch mit der nötigen Sorgfalt und Vorbereitung konnte Wanderruderfahrt Olaf Keim einen versöhnlichen Schlusspunkt zur Rudersaison 2020 setzen. Schon gleich zu Beginn der Ausschreibung hatten sich viele Teilnehmer in der HANSA gemeldet. Man spürte deutlich, wie groß die Sehnsucht nach Begegnung und Austausch geworden ist.
Insgesamt konnte Olaf 50 Teilnehmer offiziell zulassen, die jeweils in Booten mit entsprechenden Ablegezeiten eingeteilt wurden. Früh morgens war er dann auch selbst am Steg und achtete darauf, dass alle Hygienemaßnahmen und Distanzen eingehalten wurden.
Es war sonst auch alles bestens organisiert: Boote und Mannschaften waren eingeteilt, die Obmänner – und -frauen auch, die dann mit kleinen Namenszetteln ausgestattet, ihre Mannschaft suchten und mit ihr Boote und Skulls zügig zu Wasser brachten.
Das Wetter war gut, der Winde etwas frisch, aber alle freuten sich auf eine Stadtparkrunde mit kurzem Abstecher zum Rondeelteich. Und so schön kann Hamburg im Herbst sein: Die Blätter der Bäume am Ufer leuchteten goldgelb, im Wasser spiegelte sich die ganze Herbstpracht eines hanseatischen Indian Summers. Die kleine Armada der HANSA legte dann ab in Richtung Langer Zug.
Insgesamt acht Boote, Vierer, Sechser wie auch der RBL-Achter, waren unterwegs. Alle hatten Spaß, und die Stimmung war heiter. Beim Anlegen ging es dann später genauso schnell und geordnet zu wie beim Ablegen. Auf der Terrasse hatte Christian den Grill angeworfen, eine deftige Gulaschsuppe vorbereitet und für alle Kaffee-Fans noch einen leckeren Käse- und Apfelkuchen aufgefahren.
Müde von der frischen Luft, aber gut gelaunt, saßen alle zufrieden in der Sonne und genossen die Mittagsstunde zusammen. So kann die Saison zu Ende gehen, mit sattem Bauch und herrlichem Blick auf das Blau der Alster.
Und wir hoffen, dass wir im kommenden Jahr ein gutes Anrudern haben werden. Bis dahin: bleibt gesund!






Got something to say?